In den Kirchen des Neustädter Landes verbirgt sich eine interessante historische Orgellandschaft, welche die ganze Bandbreite der hannoverschen Orgelbauschulen seit dem 18. Jahrhundert repräsentiert.
Die Orgel von Christian Bethmann (1821) in Bordenau, dem Geburtsort des berühmten Generalleutnants und Heeresreformers Gerhard von Scharnhorst, kann im weitesten Sinne wohl noch der späten Schule des großen hannoverschen Orgelbauers Christian Vater zugeordnet werden. Leider wurde sie später stark verändert, soll in den nächsten Jahren aber umfassend restauriert und rekonstruiert werden. Dieses Projekt wird durch unseren Verein tatkräftig unterstützt.
Ernste Konkurrenz erfuhr die Bethmann-Werkstatt Anfang des 19. Jahrhunderts durch Ernst Wilhelm Meyer, der eine schöne Orgel in Schneeren hinterließ. Auch dieses Instrument harrt derzeit noch seiner Restaurierung.
Meyers Sohn Eduard entwickelte die Werkstatt seines Vaters weiter und hinterließ über 100 Instrumente. Bei der neugotischen Umgestaltung der gotischen Klosterkirche Mariensee erhielt diese 1869 eine kraftvoll klingende Orgel von Eduard Meyer, die zum größten Teil original erhalten ist.
Meyers Orgel ersetzte ein Vorgängerinstrument von Johann Andreas Zuberbier aus Rinteln, der den Orgelbau im Neustädter Land während der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts dominierte. Glücklicherweise wurde die Zuberbier-Orgel damals nicht zerstört, sondern verkleinert in das benachbarte Dudensen umgesetzt. Sie ist das letzte erhaltene Instrument ihrer Art. Bei der jüngsten Restaurierung durch die Orgelwerkstatt Jörg Bente erhielt sie eine mitteltönige Temperierung. Mit ihrem Klang wuchs der Dichter Ludwig Hölty auf, dessen Vater Pastor in Mariensee war.
Ebenfalls nicht aus der Region, aber doch im weitesten Sinne aus dem Leinetal kommend schuf Carl Heyder aus Heiligenstadt 1864 eine Orgel im thüringischen Stil für die barocke Dorfkirche Helstorf. Sie ist nahezu vollständig original erhalten und wurde durch Martin Haspelmath (Walsrode) und zuletzt Bartelt Immer (Norden) behutsam restauriert.
Die wohl bedeutendste Konzertorgel des Neustädter Landes steht in der romanischen Backstein-Basilika St. Osdag Mandelsloh. Die Söhne des berühmten Philipp Furtwängler schufen dieses Instrument 1878 für die Allgemeine Gewerbe-Ausstellung Hannover, der Vorgängerin der Hannover-Messe. Die Orgelbauer aus Elze zeigten hier die Summe ihres Könnens mit einer Vielzahl damals bahnbrechender technischer Neuerungen. Danach fand die Orgel ihre feste Heimat in Mandelsloh.
Pius Furtwängler schließlich widmete sich gemeinsam mit Adolf Hammer der pneumatischen Orgel spätromantischer Prägung. Eine fast gänzlich original erhaltene Kostbarkeit der Werkstatt P. Furtwängler & Hammer findet man in der klassizistischen Saalkirche Niedernstöcken. Sie wurde, wie auch die Orgel in Mandelsloh, durch Jörg Bente restauriert.
Nicht unerwähnt bleiben sollen die hochwertigeren Instrumente des 20. und 21. Jahrhunderts. Die größte Orgel des Neustädter Landes, gebaut von der Firma Emil Hammer Orgelbau im neobarocken Stil, befindet sich seit 1965 in der Liebfrauenkirche Neustadt. Sie ersetzte eine romantische Vorgängerorgel von Folkert Becker; von ihm findet sich heute noch ein kleines Instrument in der Dorfkirche Hagen. Die katholische Kirche St. Peter und Paul Neustadt verfügt seit 1997 über eine Lobback-Orgel und in der modernen Johanneskirche Neustadt steht eine Orgel aus der Werkstatt von Rudolf Janke (1982), die 2009 durch Ekkehart Groß (Sachsen) aus der einstigen Messiaskirche Hannover hierhin umgesetzt und dabei vergrößert wurde. In zahlreichen weiteren Kirchen des Neustäder Landes sind kleinere neobarocke Orgeln der Firmen Hammer, Hillebrandt, Weißenborn, Führer oder Becker zu finden.
Jan Katzschke ©2020